„Mir fehlt das Miteinander“
Claudia Wulf: Händlerin, Presbyterin, Kulturschaffende / Corona bremst alles aus
Claudia Wulf ist Presbyterin in der evangelischen Kirche. Sie singt im Chor „parlar cantando“, hält Lesungen. Und sie führt gemeinsam mit ihrem Mann Thomas Wulf das Geschäft „Adam & Eva Moden“. Die Corona-Krise hat dafür gesorgt, dass in all diesen Bereichen nichts mehr ist wie vorher.
Geschäfte geschlossen, keine Gottesdienste, keine Kulturveranstaltungen. „Eine schwierige und belastende Zeit. Vor allem auch, weil es keine oder nur ganz wenig soziale Kontakte gibt. Mir fehlt das Miteinander“, sagt Claudia Wulf.
Sie erzählt, wie sie den Shutdown erlebt hat. „Wenn man das Geschäft für Wochen schließen muss, dann hat man existentielle Sorgen“, so die 51-Jährige. „Die Ware ist im Laden, verkaufen kann man sie aber nicht, beim Kurzarbeitergeld muss man in Vorleistung gehen – für die Händler sehr schwierige Zeiten.“ Gleichzeitig erzählt sie aber auch von vielen tollen Erlebnissen mit ihren Kunden. Viele hätten angerufen und sich Ware nach Hause liefern lassen. Viele hätten gewartet, bis Adam & Eva wieder öffnen durfte, um etwas zu kaufen. „Das hat uns sehr bewegt“, sagt Claudia Wulf.
Jetzt dürfen die Kunden wieder ins Geschäft, limitiert in der Anzahl und mit Distanz. „Es läuft langsam wieder an“, erklärt Claudia Wulf. „Viele Menschen sind noch zurückhaltend. Außerdem gibt es im Moment ja auch keine Anlässe, für die man sich schick anziehen möchte.“ Das treffe die Textilhändler immer noch hart.
Zeit als Geschenk
Keine Gottesdienste – das sei vor allem für ältere Menschen schwer. „Mir hat eine alte Dame gesagt: Im 2. Weltkrieg durften wir wenigstens in die Kirche“, erzählt Claudia Wulf in ihrer Funktion als Presbyterin und Prädikantin. Seit 2014 hat sie die Ämter in der evangelischen Kirchengemeinde inne. Sie darf predigen, taufen und Hochzeitspaare trauen, ebenso in der Organisation der Kirchengemeinde mitwirken. „Das ist so eine tolle Aufgabe. Es macht mir unheimlich viel Spaß“, sagt die Lüdinghauserin.
Zur Mitarbeit in der evangelischen Kirche war sie durch die Aktion „Zeit als Geschenk“ gekommen, bei der man Zeit an hilfsbedürftige Menschen verschenkt. Sie ging mit demenzkranken Menschen spazieren, spielte mit einsamen Menschen Gesellschaftsspiele – kurz: verbrachte einfach Zeit mit ihnen. „Viele Menschen sind ohnehin schon einsam. Corona macht es jetzt noch schlimmer“, so Claudia Wulf.
Der richtige Schritt
Viele Bausteine hatten ineinandergegriffen, bis sie 2014 Presbyterin wurde. Zunächst hatte der Pfarrer sie gefragt, ob sie sich vorstellen könne, Lektorin zu sein. „Da ich aktiv im Chor parlar cantando bin und seit 14 Jahren Gesangsstunden nehme, kann ich mit meiner Stimme gut umgehen. Daher habe ich ja gesagt“, erinnert sich Claudia Wulf. Sie beschäftige sich mit religiösen Texten und merkte, dass das „genau ihr Ding“ ist. Dann fragt der Pfarrer irgendwann: Möchtest du Prädikantin werden? Also Laienpredigerin. „Das ist meine Chance“, sagte sich die 51-Jährige und absolvierte die einjährige Ausbildung. „Der absolut richtige Schritt“, sagt Claudia Wulf heute. Die ev. Kirche sei einfach sehr tolerant und weltoffen. Sie mache es einem leicht, mitzuarbeiten und mitzuwirken. Und man dürfe kritisch sein. Das gefalle ihr besonders.
Die Gottesdienste will die evangelische Kirche in Lüdinghausen erst einmal weiter draußen feiern. „Wen will man denn wegschicken, wenn die Höchstzahl von Gottesdienstbesuchern erreicht ist?“, fragt die Presbyterin. „Das hat doch nichts mehr mit Kirche zu tun.“
Claudia Wulf hofft, dass das soziale Leben bald wieder möglich ist, dass die Menschen wieder unbeschwert in die Kirche, zum Einkaufen und zu Kulturveranstaltungen gehen können. „Das fehlt so sehr!“ Nadine Wenge
Shoppen für Helden
In der Corona-Krise hatten Thomas und Claudia Wulf die Aktion „Shoppen für Helden“ ins Leben gerufen. Die Kunden konnten online Gutscheine kaufen, die an die Krankenschwestern und Pfleger in verschiedenen Krankenhäusern in Lüdinghausen, Dülmen, Datteln und Hiltrup gingen. Claudia und Thomas Wulf stockten den Betrag noch mal um 50 Prozent auf. Die Aktion war so erfolgreich, dass sie 2000 Personen aus dem Gesundheitswesen, unter anderem aus fünf Krankenhäusern und drei Pflegeheimen mit Warengutscheinen versorgt werden konnten. Zusätzlich haben sie den Pflegekräften 2000 FFP2 Atemschutzmasken zur Verfügung gestellt. „Ich glaube, es ist wichtig, dass sich die Menschen, die so eine wichtige Arbeit leisten, wertgeschätzt und gesehen fühlen“, so Claudia Wulf.